Das DJJV-Sportabzeichen - Inhaltliche Konzeption

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  1. Grundüberlegungen
  2. Inhaltliche Konzeption
  3. Organisatorische Konzeption
  4. Einführung
  5. Trainingskarten
  6. Ausblick
  7. Literaturverzeichnis

In diesem Abschnitt wird das vom Autor konzipierte DJJV-Sportabzeichen genauer erläutert. Sowohl der Inhalt (d.h. die Aufgabenstellungen) als auch die für die sportbetriebsmäßige Abwicklung erforderlichen organisatorischen Regelungen werden erläutert. Wo sinnvoll, werden bereits Rückmeldungen aus dem praktischen Betrieb eingeflochten. Wichtige Entscheidungen während der Konzeption des Sportabzeichens werden erläutert und während der Erprobung und Einführung fallengelassene Ideen angesprochen. Ziel dieses Abschnittes ist es, ein tiefes Verständnis des Umfangs und Inhalts des Sportabzeichens sowie der dazu führenden Entscheidungen zu vermitteln.

Um ein einheitliches Rahmenwerk zu erhalten, wurde für das DJJV-Sportabzeichen ein Konzept mit Regeln für die Durchführung, Abwicklung des Materialwesens und der Beschreibung der eigentlichen Leistungstests entwickelt.

Die Durchführung soll so einfach wie möglich gestaltet werden. Trotzdem müssen ein paar Informationen gesammelt und zwischen den Teilnehmern, dem Verein und den Verbänden anhand dafür entworfener Formulare transportiert werden. Der Landesverband soll die Materialien bereithalten; auch die Materialbeschaffung war Gegenstand der Vorarbeiten.

Der Leistungstest selber besteht aus sechs Aufgaben, die jede für sich erfolgreich absolviert werden muss. Die Abnahme kann im Rahmen normaler Trainingseinheiten stattfinden oder im Rahmen einer gesonderten Veranstaltung.

Inhaltliche Konzeption

Noch vor der Festlegung eines Rahmenwerkes und einiger Formalismen galt es zunächst, passende Aufgaben, die beim Ablegen des JJ-Sportabzeichens zu bewältigen sind, zu definieren. Hierzu wurden im Jahre 2005 einige Ideen in einem Brainstorming gesammelt, in einem ersten Schritt nach Eignung bewertet und schließlich in der ständig dafür zur Verfügung stehenden Trainingsgruppe des Autoren getestet. Hieraus entstanden Änderungswünsche, die in der Folge eingearbeitet und erneut getestet wurden. In der nächsten Stufe beteiligten sich landesweit mehrere Vereine an den Tests, aber hieraus resultierten an den Aufgabenstellungen nur noch wenige Änderungswünsche.

Erprobung

Eine wesentliche Bedeutung neben der Ideenfindung kam der Erprobung der Aufgaben zu. Hieraus konnten wesentliche Erkenntnisse für die Aufgabenstellungen erlangt werden. In der ersten Phase standen zur Erprobung als Probanden vornehmlich die Teilnehmer der vom Autoren trainierten Ju-Jutsu-Gruppe zur Verfügung. Es handelte sich um Sportler im Alter von ca. 20 bis ca. 50 Jahren. Die Erfahrung im Ju-Jutsu lag zwischen wenigen Wochen (6. Kyu) und ca. 30 Jahren (4. Dan). Es standen in etwa gleich viele Probanden beider Geschlechter zur Verfügung. Insgesamt waren ca. 20 Sportler beteiligt, von denen jedoch nicht jeder an jedem Training teilnahm, so dass einzelne Erprobungen jeweils von nur einem Teil der Probanden ausgeführt wurden.

Über die Auswertung der Pulswerte der Probanden hinaus hat keine tiefere sportwissenschaftliche Untersuchung stattgefunden. Die Übungen wurden im Wesentlichen aus dem einem erfahrenen Übungsleiter üblicherweise bekannten Material abgeleitet und bringen von sofern keine völlig neuen Grundlagen mit sich. Die aktuellen sportmedizinischen Erkenntnisse bezüglich medizinisch sinnvoller im Gegensatz zu physiologisch ungünstigen Übungen wurden berücksichtigt. Wichtigstes Kriterium jedoch war insbesondere auch von der Intention des Sportabzeichens her die subjektive Aussage der Probanden: Die Aufgaben sollten sie herausfordern, sich anzustrengen, aber auch für nicht ganz so leistungsstarke Teilnehmer noch zu bewältigen sein, und wenn möglich auch noch Spaß machen.

Durch die Streuung des Leistungsspektrums in der Probandengruppe konnte hierzu eine relativ gute Aussage erworben werden; eine nicht ganz so gute Aussage jedoch ließ sich bezüglich der Altersstufen ableiten, weil hierzu Teilnehmer in den obersten Altersklassen fehlten.

Für einige der Aufgaben waren Richtwerte zu ermitteln, die von den Teilnehmern des Sportabzeichens zu bewältigen sein sollten. Die Ermittlung dieser Richtwerte erfolgte zunächst in der Probandengruppe, die die Aufgabe unter den gleichen Bedingungen lösen sollten wie später während einer Sportabzeichenabnahme. In einem zweiten Schritt wurden die fehlenden Alters- und Leistungsstufen mehr oder weniger intuitiv aus den vorhandenen Werten abgeleitet, wobei meistens lineare oder leicht logarithmisch fallende Verläufe mit steigendem Alter extrapoliert wurden. Spätere Erprobungsphasen mit landes- oder bundesweiten Teilnehmerkreisen haben gezeigt, dass diese Richtwerte dabei relativ gut getroffen wurden. Sie sind für fast alle Teilnehmer jeder Altersstufe zu schaffen, veranlassen die Sportler jedoch, sich dafür anzustrengen. Genau dies sollte bezweckt werden. Selbst Sportler, die aufgrund ihres Trainingsstandes die Bedingungen leicht übererfüllen können, fühlen sich durch die Möglichkeit, über das Soll hinaus eine hohe Leistung zu bringen, motiviert.

In keiner der Erprobungsphasen zeigten sich signifikante Unterschiede in den Leistungen zwischen den Geschlechtern. Eine anfangs vorgenommene Trennung nach den Geschlechtern bei den Richtwerten mit leichten Vereinfachungen für das weibliche Geschlecht wurde deshalb später wieder verworfen. Dies vereinfacht nicht nur die Handhabung der Richtwertetabellen, sondern entspricht insbesondere auch dem Wunsch der meisten dazu befragten Probandinnen.

Pratzenarbeit

Von Anfang an stand die Idee im Raum, eine Aufgabe mit Pratzen oder Schlagpolstern (der Einfachheit halber wird im Folgenden lediglich der Begriff "Pratzen" verwendet. Schlagpolster oder die verschiedenen anderen, ähnlich einsetzbaren Hilfsmittel sind jedoch immer gleichermaßen gemeint) einzubauen. Die Arbeit an Pratzen ist für viele Belange des Ju-Jutsu förderlich (siehe u.a. auch [Heckele 06]) und sollte deshalb durch die Aufnahme in das Sportabzeichen gestärkt werden, zumal gleichzeitig mit den Änderungen am Prüfungsprogramm zum 1.1.2007 das Herausfallen des Prüfungsfaches Pratzen/Schlagpolster bevorstand.

Ein erster Ansatz bestand darin, innerhalb einer vorgegebenen Zeit eine möglichst hohe Anzahl an Atemi auf die Pratzen zu schlagen. Dies wäre eine Übung mit hohem Schnellkraftausdauer-Aspekt gewesen. In ersten Praxistests zeigte sich jedoch, dass die Teilnehmer dann dazu neigten, lediglich noch Kettenfauststöße auszuführen und sich dabei extrem zu verausgaben. Dies passte nicht so gut in das Bild eines Breitensportabzeichens. Nach Erprobung einiger anderer Varianten wurde schließlich die Aufgabe wie unter DJJV-Sportabzeichen - Pratzenarbeit beschrieben festgelegt.

Die Richtwerte sind zunächst intuitiv vorgegeben und dann in der Praxis erprobt worden. Die Pulswerte der Probanden lagen nach einer Minute Belastung meistens im oberen aeroben Bereich.

Wurfausdauer

Eine bekannte ausdauerorientierte Aufgabe aus dem Ju-Jutsu ebenso wie aus dem Judo besteht darin, eine Serie von Wurftechniken zu absolvieren. Diese Aufgabe konnte von dem ersten Entwurf an im Wesentlichen unverändert übernommen werden. Hinzugekommen ist lediglich auf Anregung des Seniorenreferenten eine Regelung für ältere Teilnehmer, um wiederholtes Fallen vermeiden zu können. Bisher ist jedoch kein Fall bekannt, in dem davon Gebrauch gemacht worden ist. Allerdings ist die Zahl der Rückmeldungen im Seniorenbereich auch noch sehr gering, so dass hieraus noch keine verlässlichen Schlüsse gezogen werden können. Die aktuelle Fassung dieser Aufgabe lautet somit wie unter DJJV-Sportabzeichen - Wurfausdauer beschrieben.

Beginnend mit der Auswertung der Leistungen der ersten Probanden wurde diese Tabelle für die Alters- und Leistungsgruppen, für die es keine Teilnehmer in den Testgruppen gab, intuitiv hochgerechnet. Später eintreffende Werte einzelner Testteilnehmer lassen den Schluss zu, dass die beschlossenen Werte für Breitensportler bei entsprechender Anstrengung zu erreichen sind, tendenziell eher etwas zu leicht. Dennoch ist gerade dies eine Aufgabe, in welcher die Teilnehmer herausragendes Engagement zeigten und versuchten, ihre bestmögliche Leistung zu bringen. Dementsprechend liegen die typischen Pulswerte auch meistens im mittleren anaeroben Bereich. Für einen trainierten Sportler sollte es dennoch möglich sein, die Richtwerte an der Grenze zwischen aerober und anaerober Belastung zu erreichen.

Verkettungen / Flows

Verkettungen oder Flows sind Übungsformen, in welchen sich einige wenige zu übende Elemente zyklisch wiederholen. So ist mit verhältnismäßig geringem Zeitaufwand eine hohe Wiederholungszahl der Übung zu erreichen. Dies dient der besseren Verinnerlichung von Bewegungsabläufen und fördert die Rhythmisierungsfähigkeit. Eingesetzt werden solche Übungsformen im Ju-Jutsu an vielen Stellen, es seien hier nur Stockdrills, Dreierkontakt oder Weiterführungs- und Gegentechniken genannt.

Die ursprüngliche Idee war, die Aufgabe Konter gegen Konter, wie sie bis Ende 2006 zum 4. oder 5. Dan verlangt wurde, mit in das Sportabzeichen aufzunehmen. Bei dieser Übungsform werden typischerweise nicht immer die selben Bewegungen zyklisch wiederholt, sondern der Zyklus ergibt sich aus dem wechselweisen Abruf der in der freien Verfügbarkeit befindlichen Gegen- und Weiterführungstechniken der Sportler. Diese Übungsform schult das Bewegungs- und Körpergefühl, Konzentration und dient der Verinnerlichung der typischen Übergänge zwischen zwei Techniken. Im Fortgeschrittenenbereich machte den Probanden diese Übung viel Spaß, deshalb erschien sie für diese Zielgruppe geeignet. Für den Anfängerbereich jedoch schien sie zu kompliziert (es wird ja eine weitgehende freie Verfügbarkeit von Gegen- und Weiterführungstechniken verlangt), deshalb sollte es auch alternative Aufgabenstellungen geben. Dennoch ist es bei Beschränkung auf z.B. den Wechsel von Armstreck- zu Armbeugehebel (siehe auch Prüfungsprogramm zum 4. Kyu) oder einfachen abgesprochenen Gegentechnikfolgen (z.B. Kipphandhebel gegen Kipphandhebel) bereits bei relativ beschränktem Technikrepertoire möglich, diese Aufgabe angemessen zu meistern.

Dennoch erschien es wünschenswert, auch andere Formen von Verkettungen zuzulassen. Deshalb besteht bei dieser Aufgabe die Wahlfreiheit zwischen fünf möglichen Ausprägungen. Die Variante Konter gegen Konter wurde eben schon beschrieben, als weitere Möglichkeiten wurden die Abwehrfolge im Dreierkontakt, die Abwehr von Atemiangriffen, die Abwehr von Messerangriffen sowie Stockdrills festgelegt.

Eine bekannte Übungsform im Ju-Jutsu ist die zyklische Ausführung der Abwehrtechnik im Dreierkontakt, wobei die Teilnehmer immer wechselweise schlagen und mit einem Dreierkontakt den Schlag ihres Partners abwehren. Dies wird als Prüfungsaufgabe zum 2. Kyu im Prüfungsprogramm verlangt, kann jedoch auch mit Anfängern schon gut geübt werden. Da der Dreierkontakt und seine artverwandten Abwehrformen im Vergleich z.B. zum Passivblock relativ komplexe und schnell ablaufende Bewegungen enthalten, ist für ein sicheres Beherrschen eine relativ hohe Wiederholungszahl erforderlich. Dies sollte nicht erst mit der Vorbereitung zum 2. Kyu beginnen, deshalb erscheint die Aufnahme in das Sportabzeichenangebot gerade für die unteren Kyugrade sinnvoll. Wie sich in der Testphase herausstellte, kamen nach ein wenig Übung selbst Anfänger mit dieser Aufgabe gut zurecht und erreichten häufig höhere Wiederholungszahlen als Fortgeschrittene, da sie auf das Einbauen zusätzlicher Schwierigkeiten wie Gegenreaktionen, Angriffs- oder Seitenwechsel verzichteten.

Während es bei der beschriebenen Übungsform des Dreierkontaktes freigestellt bleibt, immer den gleichen Angriff (z.B. wie im 2. Kyu immer mit Schlag von außen) anzugreifen und der Schwerpunkt auf der korrekten Ausführung des Dreierkontaktes liegt, konzentriert sich die nächste Wahlaufgabe auf die richtige Reaktion auf einen Atemiangriff: Wechselseitig greifen die Partner mit Atemitechniken an und wehren diese mit kurzen Fege-, Ausweich- oder Blocktechniken ab. Hier werden die Abwehrtechniken in variabler Verfügbarkeit abgefragt und das Reaktions- und Distanzgefühl geschult. Die Erprobung hat gezeigt, dass bei moderatem Tempo diese Aufgabe auch schon von Sportlern der unteren Kyugerade gemeistert werden kann, insbesondere, wenn diese sich dann auf einige wenige einfache, schon halbwegs verinnerlichte Abwehrtechniken gegen eine kleine Auswahl von möglichen Atemitechniken konzentrieren.

Eine Steigerung dieser Aufgabe ist die wechselweise Messerabwehr im Stand. Diese ist zum 1.1.2007 aus dem Prüfungsprogramm zum 3. Dan entfallen, und sollte auch deshalb mit in das Sportabzeichenangebot aufgenommen werden. Geschult werden neben Reaktionsvermögen und Distanzgefühl insbesondere hier auch die Griffsicherheit. Erforderlich für die Bewältigung dieser Aufgabe ist die Beherrschung grundlegender Messerabwehr- und -entwaffnungstechniken. Deshalb dürfte diese Ausprägung der Aufgabe eher für die fortgeschrittenen Teilnehmer in Frage kommen, wie auch die Testergebnisse der Probanden zu schließen zulassen.

Eine bisher nicht im Ju-Jutsu programmatisch verankerte Aufgabenstellung ist die Beschäftigung mit Stockdrills. Obwohl im Training der auf Stockabwehr- und -techniken spezialisierten Trainer häufig eingesetzt, scheint diese Übungsform ansonsten relativ wenig Verbreitung zu finden. Ziel ist es, Schlag- und Abwehrtechniken mit dem Stock in hoher Wiederholungszahl zu trainieren. Gleichzeitig werden hohe Anforderungen an die koordinativen Fähigkeiten gestellt, besonders bei der Arbeit mit zwei Stöcken. Diese Form der Verkettungsaufgabe wurde von relativ wenigen Probanden gewählt. Wenn jedoch, dann meistens von Teilnehmern, die in diesem Bereich Erfahrung hatten und in der Lage waren, auch eine hohe Anzahl an Durchläufen zu bewältigen.

Um eine für die Teilnehmer des Sportabzeichens untereinander vergleichbare Leistung aus der Verkettungsaufgabe zu machen, wurde beschlossen, jeweils die Anzahl der geglückten Durchläufe zu ermitteln. Auf eine Zeitvorgabe wurde verzichtet, weil nicht zur Hektik angetrieben werden soll. Eine runde, kontinuierliche Ausführung der Verkettung steht dabei vor Schnelligkeit. Da davon ausgegangen werden kann, dass selbst bei sehr guter Beherrschung der Aufgabe die Kette irgendwann ohnehin abreißen wird, ist eine zeitliche Obergrenze auch nicht erforderlich.

Die Ermittlung von Richtzahlen für alle dieser fünf Alternativaufgaben gestaltete sich allerdings schwierig, weil es kaum Erfahrungswerte gab. Zwar waren die Übungen alle bekannt und wurden auch regelmäßig ausgeführt, jedoch ohne mitzuzählen. Dementsprechend wurden zunächst Werte für alle Alternativaufgaben von den Testteilnehmern ermittelt und die danach noch fehlenden Werte für in den Testgruppen nicht vertretene Alters- oder Leistungsstufen intuitiv hochgerechnet. Die genaue Formulierung der Anforderungen lautet wie unter DJJV-Sportabzeichen: Verkettungen beschrieben.

Die bisherigen Rückmeldungen lassen vermuten, dass die definierten Richtwerte eher im unteren Bereich des Möglichen liegen, zumal die Teilnehmer beliebig viele Versuche machen dürfen, die Aufgabe zu erfüllen. Dies macht zwar den Erwerb des Sportabzeichens an dieser Stelle leichter, aber aufgrund der Komplexität der Aufgabe erscheint es alleine schon wünschenswert, wenn die Teilnehmer sich intensiv mit den Übungen auseinandersetzen. Gelingt es, einen gewissen Fluss in die Darbietung zu bekommen, haben die Sportler in der Regel auch viel Spaß dabei, womit der Zweck des Sportabzeichens erfüllt wäre.

Reaktionsvermögen

Eine weitere Idee bestand darin, das (Auswahl-)Reaktionsvermögen der Teilnehmer zu testen. Es wurden Experimente mit verschiedenen Möglichkeiten eines solchen Reaktionstests durchgeführt. Da kein technisches Reaktionstestgerät zur Verfügung stand, beschränkten sich die Versuche auf Partnerübungen: Es wurden jeweils eine kleine Zahl von möglichen Zeichen festgelegt (typischerweise zwei oder drei wie Antippen der rechten oder linken Schulter), und zu jedem der Zeichen eine gewünschte Reaktion des Teilnehmers (zum Beispiel herumdrehen und eine einzelne Atemitechnik auf das durch das Zeichen vorgegebene Ziel). Ein Partner gab zu einem vorher nicht genau bekannten Zeitpunkt eines von diesen festgelegten Zeichen, woraufhin der Teilnehmer die zu dem Zeichen passende Handlung möglichst schnell vollziehen musste.

In der ersten Fassung wurde als Leistungskriterium gewählt, dass bei einer gegebenen Anzahl von Versuchen nicht mehr als eine vorgegebene Anzahl an Fehlreaktionen dabei sein durfte. Im Test stellte sich jedoch schnell heraus, dass die Teilnehmer dies in fast allen Fällen fehlerfrei hinbekamen, indem sie ihre Reaktionszeit solange wie individuell für eine Erkennung und Verarbeitung des gegebenen Zeichens erforderlich hinauszögerten.

Da dies nicht im Sinne der Aufgabenstellung war, wurde nach Alternativen gesucht. Eine Messung der Reaktionszeit mit Stoppuhren oder dergleichen kam nicht in Betracht, da dies das Vorhandensein elektronischer Zeitmessung und einen komplizierten Versuchsaufbau erforderlich gemacht hätte. Behelfsmäßig wurde versucht, die Falldauer eines vom Partner fallengelassenen Objektes (im Versuch: Tennisball) als Richtschnur zu nehmen. Dies stellte sich jedoch aus mehreren Gründen als zu kompliziert heraus: Die Reaktionszeit des Partners, die genaue Fallhöhe (unterschiedliche Partnergrößen oder Armhaltungen), die Beurteilung, ob zuerst das Objekt den Boden berührt hat oder die geforderte Reaktion gezeigt wurde usw. erhalten Einfluss darauf, ob die Aufgabe erfolgreich absolviert wird. Dies erschien nicht wünschenswert im Sinne eines einfachen und fairen Sportabzeichens.

Letzten Endes wurden die Versuche mit dieser Aufgabenstellung ohne praktikables Ergebnis eingestellt, da sich herauskristallisierte, dass es bereits eine hinreichende Anzahl anderer Aufgaben für das Sportabzeichen gab. Das Reaktionsvermögen wird darüber hinaus auch in komplexerer Form in einigen Ausprägungen der Verkettungsaufgabe sowie des Randori geschult.

Gleichgewichtsschulung

Wichtig für die sichere Ausführung vieler Techniken ist eine gute Standsicherheit auch auf nur einem Bein. Als Beispiele seien neben den Atemitechniken mit einem Bein auch Wurftechniken wie Sicheln, Feger oder eingedrehte Würfe mit Beinunterstützung (Schenkelwurf, Hüftfegen, ...) genannt. Hierfür ist neben der erforderlichen Ausprägung und Feinkoordination insbesondere der Bein- und Fußmuskulatur des Standbeines auch der Gleichgewichtssinn verantwortlich.

Die daraus abgeleitete Aufgabe besteht darin, auf einem Bein stehend möglichst viele Atemitechniken mit dem Spielbein auszuführen ohne absetzen zu müssen. Um die Aufgabe interessanter zu gestalten, wurde die Idee eingebaut, dies auf einer Pratze, einem Medizinball oder ähnlichem stehend zu tun. Da es nicht um Schnelligkeit sondern um Standfestigkeit gehen sollte, wurde kein Zeitlimit eingeführt. Ähnlich wie bei den Verkettungen ist es möglich, die Aufgabe beliebig oft zu wiederholen und so zu höheren Ergebnissen, aber auch zu höherem Trainingseffekt zu gelangen.

Die Ergebnisse in der Testgruppe waren zunächst etwas überraschend: Die Anfänger unter den Probanden erreichten schnell deutlich höhere Wiederholungszahlen als die Fortgeschrittenen. Genauere Untersuchungen ergaben dafür eine Reihe von Ursachen. Offensichtlich war schnell, dass Anfänger einfachere Techniken ausführen (meistens Fußtritt oder Knieschlag), und in teils geringerer Ausführungshöhe auch mehrmals die gleiche Technik hintereinander ausführten (dies wurde ihnen im Gegensatz zu den Fortgeschrittenen zugestanden). Der wesentliche Unterschied jedoch dürfte sein, dass Anfänger Beintechniken häufig noch mit vergleichsweise wenig Dynamik und Hüfteinsatz ausführen. Dies macht es erheblich leichter, das Gleichgewicht, zumal auf einer begrenzten Standfläche, zu halten. Fortgeschrittene kompensieren dies bei den meisten Techniken durch ein kleines Nachgleiten des Standbeines, was jedoch beim Stand auf einer Pratze nicht möglich ist.

Es ist deshalb zu diskutieren, ob die Aufgabe in dieser Form förderlich für das Erlernen und Vertiefen von Beinatemitechniken und einbeinig ausgeführten Würfen ist. Obwohl die Ausführung von Beinatemi auf der erhöhten Standfläche stehend im Bezug auf das Nachgleiten nicht der Ausführungsform fortgeschrittener Sportler entspricht, wurde letztendlich doch an dieser Aufgabe festgehalten, weil der Trainingseffekt für Gleichgewichtssinn und Feinkoordination der Muskulatur überwiegt und insbesondere, weil die Probanden an dieser Aufgabe viel Spaß zu haben schienen.

Bei den Richtwerten wurde die oben genannte Anomalie außer Acht gelassen, weil es auch Anfänger zu geben scheint, bei denen die Grundlagen im Gleichgewichtssinn und in der Koordination nicht hinreichend gegeben sind, um selbst die vereinfachte Ausführung in hoher Wiederholungszahl zu bewältigen.

Die genaue Formulierung der Aufgabe lautet wie in Gleichgewichtsschulung beschrieben.

Die Rückmeldungen in den weiteren Erprobungsphasen scheinen die Ergebnisse der Probanden im Wesentlichen zu bestätigen. Eine weitere Erkenntnis war, dass die zunächst auf Verdacht aufgenommene Regelung für Senioren, die Aufgabe auch ohne erhöhte Standfläche absolvieren zu können, in der Praxis durchaus ihre Berechtigung hat. Bei älteren Menschen kann es vorkommen, dass der Gleichgewichtssinn nachlässt und damit verbunden die Sicherheit, einbeinig zu stehen. Durch die erhöhte Verletzungsgefahr, die möglicherweise durch bereits gemachte schlechte Erfahrungen des Teilnehmers mental besonders stark empfunden wird, wäre es keinesfalls im Sinne des Sportabzeichens, hier eine "Angstaufgabe" einzubauen. Das Stehen auf einem Bein ohne Erhöhung wurde jedoch in allen bisher bekannten Fällen als akzeptabel angesehen.

Freie Darstellung

Unter einer freien Darstellung wird im Ju-Jutsu eine Darbietung eines oder mehrerer Sportler verstanden, die einen oder mehrere Aspekte des Ju-Jutsu zum Inhalt hat. Form, Inhalt und Ausgestaltung sind dabei dem Sportler überlassen. Eine vorgeschriebene äußere Form gibt es nicht. Dennoch wird erwartet, dass die Darstellung vom Betreten der Matte bis zum Abgang nach der Darbietung ein in sich schlüssiges Bild ergibt. Freie Darstellungen findet man im Formenwettkampf und im Ju-Jutsu-Prüfungsprogramm zum 4./5. Dan des DJJV. Macht man Abstriche bei der gestalterischen Freiheit, so kann auch im Duo oder im Technikprüfungsprogramm von einer schwachen Form der freien Darstellung gesprochen werden, weil hier zwar Inhalte und äußere Form weitgehend vorgegeben sind, die Ausgestaltung (hier: Wahl der Techniken und Kombinationen) aber frei bleibt.

Der besondere Wert einer freien Darstellung liegt in der kreativen Auseinandersetzung mit dem Thema, welche der Sportler erbringen muss, um die Darstellung ausarbeiten zu können. Weiterhin sind hohe Konzentration vom Darsteller und seinen Partnern ebenso gefordert wie eine gewisse Disziplin zur Einhaltung einer angemessenen äußeren Form.

Insbesondere im Anfängerbereich, aber auch bei Prüflingen auf höhere Kyu- und Dangrade fällt gelegentlich auf, dass die Sportler sich wenig Gedanken darüber machen, wie ihr Erscheinungsbild auf der Matte aussieht. Betreten und Verlassen der Matte erfolgt formlos, nach Abschluss einer Verteidigungshandlung geht sofort die Aufmerksamkeit-Spannung (Sanshin) verloren, selbst in Erwartung eines Angriffes ist gelegentlich nicht einmal eine angedeutete Verteidigungshaltung zu sehen. Obwohl im Ju-Jutsu als einer relativ jungen und untraditionellen Budodisziplin auf Mattenetikette (zu Recht) nicht in übertriebenem Maße geachtet wird, verbessert dennoch ein wenigstens rudimentäres Maß an äußerer Form den Ausdruck und das Auftreten eines Prüflings oder Darstellers erheblich.

Neben dem Wunsch, mit wenigstens einer Aufgabe des Sportabzeichens die Kreativität der Teilnehmer anzusprechen, war es hauptsächlich diese Mindestvorstellung einer äußeren Form, die zur Aufnahme der freien Darstellung als Aufgabe in das Sportabzeichen geführt hat.

Ein weiterer Aspekt war die Gewöhnung von Anfängern, die nicht gerne etwas vorführen, wenn andere zuschauen können, an die Prüfungssituation. Bei der Sportabzeichenabnahme sollte eine solche Situation durch die freie Darstellung in vereinfachter Form und ohne Leistungsdruck trainiert werden können. Da die Darbietung jederzeit wiederholt werden kann, wenn ein vorhergegangener Versuch nicht geglückt ist, ist der Leistungsdruck nicht so hoch wie in einer Gürtelprüfung. Auch die Situation, vorführen zu müssen, kann vom Sportabzeichenprüfer bei Bedarf so gestaltet werden, dass die Teilnehmer dies nicht so stark wie in einer Gürtelprüfung wahrnehmen.

Eine freie Darstellung lässt sich schwer durch Metriken oder Maßzahlen bewerten. Stattdessen wird üblicherweise auf Punktewertungen durch Kampfrichter oder Prüfer zurückgegriffen. Diesem Ansatz folgend sollten für die freie Darstellung im Sportabzeichen maximal 10 Punkte an einen Teilnehmer vergeben werden können, wobei 6 Punkte erforderlich sind, um die Aufgabe erfolgreich abzuschließen. Bewertet werden sollten die Kriterien äußere Form, Schwierigkeitsgrad und Ausführung mit je 0 bis 3 Punkten. Einen Zusatzpunkt sollte es für Kreativität bei der Zusammenstellung oder Ausgestaltung der Darstellung geben können.

Die konkrete Aufgabenstellung lautet unter Freie Darstellung beschrieben.

In der Erprobungsphase stellte sich heraus, dass die Probanden mit dieser Aufgabe keine nennenswerten Schwierigkeiten hatten, weshalb die Aufgabenstellung seit ihrem ersten Entwurf fast unverändert geblieben ist. Auch das Bewertungsschema und die Punkteskala ließen sich auf Anhieb gut handhaben. Zudem lässt sich beobachten, dass die Sportabzeichenprüfer die Strenge bei der Bewertung so dosieren, dass jeder sich ernsthaft bemühende Teilnehmer die notwendigen 6 Punkte erhält. Genau dieses Verhalten ist gewollt, denn das Sportabzeichen soll auch in dieser Disziplin letztendlich der Motivation der Sportler dienen und nicht (individuell) unmögliche Leistungen abverlangen.

Im Bezug auf den zeitlichen Aufwand für die Durchführung dieser Aufgabe fällt die Freie Darstellung etwas aus dem Rahmen. Die anderen Aufgaben sind in der Regel ohne lange Vorbereitungszeiten der Teilnehmer zu absolvieren, so dass sie in schneller Folge nacheinander oder in eine "normale" Trainingsstunde eingebettet leicht abgenommen werden können. Der Zeitbedarf für die Ideenfindung, Ausarbeitung und das Einüben der Freien Darstellung auch bei nur fünf geforderten Handlungskomplexen ist jedoch höher. Es bietet sich daher an, eine separate Trainingseinheit für diese Aufgabe zu reservieren.

Ob der mit der Freien Darstellung verbundene Zeitaufwand langfristig für die Akzeptanz des Sportabzeichens ein Problem ist, müssten weitere Untersuchungen zeigen. Bisher gibt es keine Rückmeldungen von den Probanden oder den späteren Teilnehmern in dieser Richtung. Es könnte auch das Gegenteil der Fall sein: Gerade weil für die Erfüllung dieser Aufgabe etwas mehr Aufwand getrieben werden muss, erhält die damit zu erlangende Auszeichnung mehr Gewicht.

Randori

Eine in den meisten Budodisziplinen häufig angewandte Trainingsmethode ist das Randori. Während eines Randori wird ein Übungskampf zwischen in der Regel zwei Sportlern ausgeführt. Hierbei geht es jedoch nicht primär um Sieg oder Niederlage, sondern um die Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln, erlernte Techniken gegen einen gewissen Widerstand anzuwenden und das Körpergefühl zu verbessern. Es gibt noch eine lange Reihe weiterer Nutzeffekte wie Konditions- und Motivationsaspekte, Verbesserungen am Distanzgefühl, der Auswertung taktiler Reize, Timinggefühl und viele mehr. Je nach Aufgabenstellung ist es während eines Randori erlaubt oder sogar gewünscht, dass die Übungspartner einander helfen, zum Beispiel dadurch, dass sie die Ausführung einer angesetzten Technik nicht mit aller Kraft zu verhindern suchen oder indem sie einander Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten geben, die ihnen während des Randori auffallen.

So nützlich Randori mit Partnern sind, die nur mit angemessenem Ehrgeiz an den Übungskampf herangehen, so kann es doch vorkommen, dass mit zu viel Ehrgeiz gekämpft wird. Besonders im Anfängerbereich und bei dominanten, aber technisch nicht gleichermaßen beschlagenen Sportlern ist dies häufig zu beobachten. Aber es kommt mitunter auch vor, dass ein Fortgeschrittener seine technische Überlegenheit unreflektiert ausspielt. Die Folgen solchen Verhaltens sind nicht nur, dass alle oben genannten Nutzeffekte für beide Teilnehmer geringer werden oder gar nicht mehr zum Tragen kommen sowie die Verletzungsgefahr schnell steigt, sondern auch, dass der ständig unterlegene Sportler schließlich den Spaß am Randori und schlimmstenfalls auch am Budosport verliert.

Wegen der Nutzeffekte eines mit gleichwertigen Partnern durchgeführten Randori stand schon früh fest, dass ein Randori eine der Aufgaben des Sportabzeichens sein sollte. Die genaue Form des Randori erschien dabei unwichtig. Je nach Leistungsstand und Interesse der Teilnehmer sollte dies vom Trainer frei gewählt werden dürfen, egal, ob aus dem Atemi-, Wurf-, Boden- oder sonstigen Bereichen oder Kombinationen daraus.

Eine schwierige Frage jedoch blieb zu klären: Wie soll eine Leistungsüberprüfung im Sinne einer Aufgabenerfüllung erfolgen? Die reine Durchführung des Randori als Kriterium zum Bestehen der Aufgabe zu setzen erschien zu einfach, eine Wertung nach Sieg oder Niederlage wäre dem Zwecke dieser Aufgabe geradezu entgegengesetzt. Deshalb wurde ein Punkteschema gewählt, mit welchem die gezeigte Leistung der Teilnehmer bewertet werden sollte. In drei Kategorien können insgesamt 10 Punkte vergeben werden, von denen 6 Punkte zur erfolgreichen Bewältigung dieser Aufgabe erforderlich sind. Das wichtigste Kriterium sollte das Partnerverhalten sein. Ohne angemessenes und aufeinander abgestimmtes Partnerverhalten können viele erwünschte Nutzeffekte eines Randori nicht zum Tragen kommen. Deshalb werden mit maximal 4 Punkten die meisten Punkte für das Partnerverhalten vergeben. Ein weiteres Kriterium ist die Technikausführung. In einem Randori, besonders wenn es in lockerer Form ausgeführt wird, sollten einzelne Techniken je nach Leistungsstand der Teilnehmer mehr oder weniger klar erkennbar sein. Hierfür werden maximal 3 Punkte vergeben.

Ebenfalls bewertet wird das Gespür des Teilnehmers für Distanz und Timing. Da ein Partner im Randori anders (häufig auch unerwartet) reagiert als beim Üben fest vorgegebener Abläufe, bekommt ein Gefühl für die richtige Distanz zum Ansetzen von Techniken sowie für den Zeitpunkt dafür besondere Bedeutung. Auch hierfür können maximal 3 Punkte vergeben werden.

Die aktuelle Formulierung dieser Prüfungsaufgabe lautet in Randori beschrieben.

Wie sich in der Erprobung schnell herausstellte, hatten die Probanden und auch die späteren Teilnehmer sehr wenig Probleme, die Aufgabe zu verstehen und umzusetzen. Die Bewertung der Teilnehmer durch den Sportabzeichenprüfer ist bei dieser Aufgabe zwar wie bei der Freien Darstellung etwas aufwändiger, weil eine Selbstbewertung der Teilnehmer bzw. durch deren Partner nicht möglich.

Dennoch kann zur Durchführung dieser Aufgabe zum Beispiel mit parallel laufenden Randoris von zwei oder drei Paaren gearbeitet und so ein recht hoher Durchsatz an Teilnehmern erreicht werden, zumal durch ein Randori jeweils zwei Sportler bewertet werden können (nicht notwendigerweise mit den gleichen Wertungen).

Für die Praxis der Bewertung ist von den Sportabzeichenprüfern anzustreben, dass jeder Teilnehmer, der sich ernsthaft bemüht, den Kriterien im Rahmen seiner Möglichkeiten gerecht zu werden, die erforderlichen 6 Punkt erreichen können sollte.


  1. Grundüberlegungen
  2. Inhaltliche Konzeption
  3. Organisatorische Konzeption
  4. Einführung
  5. Trainingskarten
  6. Ausblick
  7. Literaturverzeichnis