Ju-Jutsu meets Theater - Theater in der Trainer-Ausbildung / Kursleiter-Ausbildung

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Ein guter Trainer bzw. Kursleiter zeichnet sich nicht nur durch sein großes Fachwissen in Theorie und Praxis und die erworbene Methoden-kompetenz, sondern auch durch viele andere, weniger greifbare Fähigkeiten aus. Unter anderem durch…

  • …eine authentische und gut verständliche Sprache
  • …ein hohes Maß an Flexibilität
  • …innere und äußere Struktur und die Fähigkeit, diese bei Bedarf aufzubrechen
  • …Souveränität im Auftreten
  • …Ruhe und Geduld mit sich und anderen
  • …Humor und die Fähigkeit, auch über die eigenen Fehler lachen zu können
  • …(natürliche) Autorität
  • …Kraft und Ausdauer um auch langatmige (aber nötige) Machtkämpfe auszufechten
  • …die Bereitschaft das Gute in jedem Teilnehmer zu sehen
  • …eine Liebe zum Training, zu den Menschen und zum Sport
  • …den Willen, etwas durch sein Training bei den Teilnehmern zu bewegen und ihnen etwas auf ihren Weg mitzugeben
  • …einen Blick für Details auf der einen und das Große und Ganze auf der anderen Seite
  • …die Begeisterung und die Fähigkeit andere damit anzustecken
  • …ein gesundes Maß an Aggression (im positiven, ursprünglichen Sinne von aggredere – voranschreiten)

Natürlich ist diese Liste bei weitem nicht abgeschlossen. Die Theaterpädagogik greift in ihren Spielen und Übungen viele der oben genannten Punkte gezielt auf, da diese auf der Bühne oft genauso wichtig sind, wie auf der Matte.

Die Rhetorik

Viel zu sprechen heißt noch lange nicht gut zu sprechen – das weiß jeder, der einmal einen Lehrer hatte, der sich in unendlich langen Monologen erging, statt die Dinge mit wenigen Worten, knapp und präzise auf den Punkt zu bringen.

Man spricht von einem rhetorisch geschickten Menschen, wenn diesem die Zuhörer gebannt an den Lippen hängen, wenn er es schafft, einen komplexen Gedanken auf das Wesentliche herunterzubrechen und ihn klar und einfach zu formulieren, und wenn man als Zuhörer (oder Diskussionspartner) danach das Gefühl hat, das Gesagte vestanden zu haben.

Als Begründer der Rhetorik gilt der antike Dichter Homer (siehe Abbildung), der in seinen Geschichten erstmals das Element der Rede verwendet hat.

Der Einfachheit halber möchte ich die Rhetorik in vier Bereiche unterteilen:

  • in Körpersprache
  • in den Einsatz der Stimme
  • in Gedankenführung
  • und in Argumentation

Spätestens an dieser Stelle, stellt man fest, dass einem bestimmte Bereiche (wie zum Beispiel die Körpersprache aber auch der Einsatz der Stimme) immer wieder begegnen. Das zeigt zum einen wie wichtig diese Bereiche im gesamten Ju-Jutsu (und überhaupt im Leben) sind, und zum anderen wie vielfältig man seinen Körper und seine Stimme in verschiedenen Situationen einsetzen kann. Ich will mich an dieser Stelle nur kurz ergänzend mit den ersten beiden Punkten befassen um dann ausführlicher auf den Punkt Gedankenführung einzugehen. Der vierte Punkt Argumentation, gehört nicht zu den klassischen Theaterthemen, daher werde ich auf diesen nur kurz eingehen.

Die Körpersprache (in der Trainerausbildung)

Der Trainer will mit seiner Körpersprache etwas anderes senden, als jemand der sich in Phase gelb gegen einen potenziellen Angreifer behaupten muss. In Kapitel Die Haltung habe ich bereits erwähnt, dass sich in der Kommunikation Sender und Empfänger in ihren Bewegungsmustern häufig angleichen. Das bedeutet, dass einem Trainer, der ununterbrochen in einer ruhigen, deeskalierenden Art und Weise unterrichtet, die Teilnehmer wahrscheinlich einschlafen bzw. diese ein hohes Maß an Eigenmotivation aufbringen müssen. Dagegen hat es ein Trainer, der selbst vor Energie sprüht, motiviert ist und Spaß am Training hat, wahrscheinlich leicht seine Gruppe zu motivieren.

Im Theater gibt es den Begriff der Rampensau. Schlägt man diesen Begriff im Duden nach, steht dort als Definition:

a. leidenschaftlicher Bühnenkünstler

b. jemand, der, im Mittelpunkt stehend und andere in den Hintergrund drängend, in der Lage ist, durch seine Leidenschaftlichkeit mitzureißen

Jeder professionelle Schauspieler muss, bis zu einem gewissen Grad, eine Rampensau sein. Er muss es genießen, im Mittelpunkt zustehen, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und andere Leute durch sein Auftreten zu begeistern. Es gehört in dem Beruf dazu, andere in den Hintergrund zu drängen bzw. um die Aufmerksamkeit des Publikums zu konkurrieren.

In ähnlicher Weise, wenn auch nicht so ausgeprägt, gilt das auch für den guten Trainer und Kursleiter. Wer nicht gerne im Mittelpunkt steht, wird keine Lehrgänge geben oder in der Trainerausbildung tätig sein.

Ein Trainer muss nicht die ganze Zeit den Alleinunterhalter für seine Schüler spielen (wenn überhaupt), aber er sollte durch seine Körpersprache ausstrahlen, dass er gerne hier ist und dieses Training leitet.

Der Einsatz der Stimme (in der Trainerausbildung)

In Kapitel Körpersprache habe ich darauf hingewiesen, dass bei einer authentisch gesendeten Botschaft der Inhalt, die Stimme und die Körpersprache eine Einheit bilden sollten. Und wir wissen, dass ein entspannter Mensch viel leichter hierzu in der Lage ist, als ein angespannter.

Für einen Trainer ist es jedoch nicht nur wichtig, entspannt und authentisch zu sein, sondern auch seine Stimmlage zu variieren. Bleibt ein Trainer konstant in der selben Stimmlage und schlimmstenfalls sogar noch in der selben Sprechgeschwindigkeit (also laaaangsaaaam oder soschnelldassmankaumnochmitkommt) wirkt das auf den Teilnehmer entweder monoton, langweilig oder anstrengend.

Gängige Variationsmöglichkeiten sind: laut/leise, schnell/langsam und hoch/tief. Wenn man es schafft, diese drei Stimmregler frei einzusetzen, ergibt sich daraus eine unendliche Fülle an stimmlichen Nuancen, die das Training interessanter machen und mit denen man wichtige Punkte von weniger wichtigen Punkten deutlich absetzen kann.

Die Gedankenführung

Die Gedankenführung hat viel mit Mathematik zu tun. Will man einem Schüler einen komplizierten mathematischen Beweis erklären, sind drei Dinge wichtig:

  1. Man muss den Beweis selbst verstanden haben
  2. Man muss den Schüler logisch Schritt für Schritt durch den Beweis führen
  3. Man muss stets den ganzen Beweis und das angestrebte Ziel im Bewusstsein halten

Da nicht jeder mit Mathematik auf gutem Fuß stehen, möchte ich diese drei Punkte zuerst auf das Sprechen eines Textes und dann auf das Erklären einer Ju-Jutsu-Technik übertragen:

  • Der Monolog

Nehmen wir als Beispiel die ersten Zeilen aus dem berühmten Faust-Monolog von Johann Wolfgang von Goethe:

Faust:
Habe nun, ach! Philosophie,


Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!


Und bin so klug als wie zuvor;

In einem ersten Schritt, muss ein Schauspieler, der diesen Monolog auf der Bühne sprechen will, den Text inhaltlich verstehen. Das bedeutet nicht nur, vordergründig den Sinn der Worte erfassen, sondern auch, das zu sehen, was hinter dem Text versteckt ist: den sogenannten Subtext. In diesem Fall, könnte dieser etwa so lauten:

Subtext:
Jetzt bin ich so alt und habe mein ganzes Leben

damit verschwendet, völlig unnütze Dinge zu lernen. Und was habe ich jetzt davon? Nichts! Ich habe mich all die Jahre derartig bemüht und angestrengt und mein ganzes Leben der Suche nach Antworten untergeordnet, ohne auch nur jemals eine Antwort auf eine wirklich wichtige Frage

bekommen zu haben…

Hat der Schauspieler den Text selbst verstanden, hat er in einem nächsten Schritt die Aufgabe, ihn so zu sprechen, dass er auch für den Zuschauer verständlich wird. Hierbei sind, wie oben bereits erwähnt, zwei Dinge wichtig: der innere Bogen des einzelnen Satzes (Abschnitts) und der Spannungsbogen des gesamten Stückes. Beides muss der Schauspieler beim Sprechen präsent haben.

Der innere Bogen eines Satzes (oder ganzen Abschnitts) wird bestimmt durch das Satzgefüge (Haupt- und Nebensätze), die Zeilenumbrüche, die Satzlänge, den Rhythmus, die Wortwahl, usw.

Der Spannungsbogen zieht sich durch das ganze Stück und ist damit dem 'kleinen Bogen' übergeordnet. Stände der selbe Abschnitt nicht in einem Drama Goethes, sondern in einer Komödie Molières und spräche sie nicht der tiefgründige Faust, sondern ein jammernder, dummer Greis, müsste man ihn auf der Bühne völlig anders umsetzen.

Nur wenn der Schauspieler zu jedem Zeitpunkt seines Monologes sowohl den inneren Bogen des im Moment gesprochenen Satzes (Abschnitts), als auch den gesamten Spannungsbogen im Bewusstsein hat, kann er den Zuschauer so durch den Text führen, dass dieser am Ende auch wirklich verstanden hat, um was es geht.

  • Die Ju-Jutsu-Technik

Will ein Trainer einem Schüler eine neue Technik vermitteln (ich beschränke mich jetzt auf den Abschnitt des Technikerwerbs), sollte er diese nicht nur praktisch ausführen können, sondern auch theoretisch verstehen (Prinzipien !). Nur, wenn er weiß, warum er an einer bestimmten Stelle zum Beispiel eine Schrittdrehung macht, kann er diese dem Schüler auch logisch vermitteln.

Jetzt gibt es in der Trainingslehre unterschiedliche Methoden, wie man einem Schüler eine neue Technik zeigen kann: die ganzheitliche und die analytische Lehrmethode (oder Teil-Schritt-Methode). In jedem Fall muss der Trainer aber beides im Sinn haben: die gesamte Technik und die einzelnen Schritte.

Idealerweise demonstriert der Trainer die gesamte Technik einmal im Fluss und in mittlerer Geschwindigkeit, damit die Schüler einen Gesamteindruck bekommen und motiviert werden. Danach demonstriert der Trainer die Technik noch mehrmals sehr langsam aus verschiedenen Perspektiven. Ähnlich einer Bilderreihe führt er logisch Schritt für Schritt durch die gesamte Technik.

Die Argumentation

Das Thema Argumentation hat zwar mit dem Theater an sich nichts zu tun, dennoch habe ich hier, der Vollständigkeit halber, die wichtigsten Fragen, die man sich bei seiner (möglichst gründlichen) Vorbereitung stellen sollte, kurz zusammengefasst:

1. Wen will ich überzeugen? Das Gegenüber spielt bei jeder Argumentation eine entscheidende Rolle. Will man beispielsweise einen Kollegen mit dem selben Fachwissen überzeugen, muss man ganz anders argumentieren, als bei einem Laien.

Weitere Fragen hierzu sind beispielsweise:

  • Muss ich eine Person überzeugen, oder mehrere?
  • Ist diese mir wohl gesonnen?
  • Hat sie Fachwissen?
  • Ist sie ein Kopfmensch (dann liegt der Fokus auf Fakten und Daten) oder ein Gefühlsmensch (dann liegt er auf Emotionen)?
  • Was hängt für sie von der Entscheidung ab? …

2. Wie kann ich meine Argumente untermauern? Es reicht oftmals nicht, in einer Diskussion einfach nur etwas zu behaupten. Man muss seine Argumente auch belegen können. Dies ist möglich durch harte Zahlen und Fakten, aber auch durch Fallbeispiele oder Bilder, die im Gegenüber bestimmte Emotionen hervorrufen. Je besser man seinen Diskussionspartner kennt, umso individueller kann man seine Argumente untermauern.

3. Was will ich erreichen? Die klare Zielsetzung ist das A und O bei der Vorbereitung, da alle Argumente nur darauf ausgerichtet werden. Ist das Ziel nicht klar, oder gibt es gar mehrere Ziele, verschwimmt die Argumentation und verliert an Überzeugungskraft.

4. Was könnte mir mein Gegenüber entgegensetzen? Bei einer Diskussion ist es wichtig, sich bereits im Vorfeld mit den Gegenargumenten zu beschäftigen und die voraussichtlichen Einwände des Gegenübers möglichst vollständig zu entkräften.

5. Welche Argumente, will ich wann einsetzen? Argumente gibt es viele. In der Vorbereitung ist es jedoch wichtig, aus der Masse die stärksten herauszufiltern und diese dann taktisch einzusetzen. Am besten baut man eine Argumentationskette, die stark beginnt und sich zum Ende hin noch steigert.

Übungen zu Rhetorik

Hier noch ein paar spielerische Übungen zur Rhetorik:

  • Die Spontanrede

Ein Teilnehmer stellt sich vor die restliche Gruppe und zieht aus einem Stapel drei Begriffe (z.B. Busfahrer, Bananenschale, Tonbandgerät). Nun wählt die Gruppe ein Thema bzw. einen Kontext für die Rede (z.B. 'Auf dem 90. Geburtstag der Großmutter' oder 'Dankesrede bei der Oscar-Verleihung').

Der Teilnehmer hat nun die Aufgabe, spontan eine (möglichst gute / lustige) Rede zu dem entsprechenden Thema zu halten und dabei seine drei Begriffe so geschickt einzubauen, dass die anderen danach nicht wissen, welche drei Begriffe er hatte.

  • Die Konkurrenzrede

Jeder Teilnehmer zieht ein Thema (das kann ein Quatschthema sein, wie z.B. 'Sollte die 0 Promille-Regel auch auf Ameisenstraßen gelten?' oder aber auch ein fachspezifisches, wie im Ju-Jutsu z.B. 'Die Notwendigkeit des 3er-Kontakts im Prüfungsprogramm') und hat 10 Minuten Zeit eine möglichst interessante Rede auszuarbeiten.

Nach dieser Zeit kommen alle wieder zusammen und das Los entscheidet, welche zwei Kandidaten mit ihren Reden in Konkurrenz treten. Beide halten ihre Reden nun gleichzeitig vor dem selben Publikum.

Nach etwa einer Minute wird unterbrochen und die Zuschauer dürfen sagen, wem von beiden sie mehr zugehört haben und, wenn möglich, warum. Der Spielleiter kann nun noch Tipps geben, bevor die zweite Minute beginnt und die Redner versuchen können das Feedback umzusetzen.

Natürlich wird so lange gespielt (oder immer wieder) bis alle einmal an der Reihe waren.

  • Sätze vorlesen

Eine gute Übung zur Gedankenführung ist es, lange komplexe Sätze vorzulesen. Natürlich so, dass der Zuhörer den Sinn des Satzes erfassen kann! Im folgenden habe ich zwei Sätze, zweier großer Meister der deutschen Sprache angeführt, an denen man gut üben kann. Natürlich eignet sich aber auch jeder andere längere, verschachtelte Satz.

Der erste Satz ist der erste aus Goethes 'Das Märchen' und eignet sich gut zum Einstieg und üben:

An dem großen Flusse, der eben von einem starken

Regen geschwollen und übergetreten war, lag in seiner kleinen Hütte, müde von der Anstrengung

des Tages, der alte Fährmann und schlief.

Der zweite Satz stammt aus Kleists 'Michael Kohlhaas' und ist eine wirklich harte Nuss:

Ich, der mit meinem Haufen eben in einem Wirtshause

abgestiegen und auf dem Platz, wo diese Vorstellung sich zutrug, gegenwärtig war, konnte hinter allem Volk am Eingang einer Kirche, wo ich stand, nicht vernehmen, was diese wunderliche Frau den Herren sagte; dergestalt, dass, da die Leute einander lachend zuflüsterten, sie teile nicht jedermann ihre Wissenschaft mit, und sich des Schauspiels wegen, das sich bereitete, sich sehr bedrängten, ich, weniger neugierig, in der Tat, als um den Neugierigen Platz zu machen, auf eine Bank stieg, die hinter mir im

Kircheneingang eingehauen war.
  • Argumente-Ping-Pong

Die Teilnehmer gehen immer zu zweit zusammen und entscheiden, wer von beiden die Pro- und wer die Contraseite übernimmt. Nun bekommt jedes Paar einen Themenstapel. Sie ziehen ihr erstes Thema (z.B. 'An einem Tag im Monat, sollte das Autofahren verboten sein.') und beginnen sofort (also ohne Vorbereitung und ohne nachzudenken) mit dem Ping-Pong-Spiel: der eine sagt ein Pro-Argument und der andere versucht sofort ein Gegenargument zu finden – woraufhin der erste wieder ein Pro-Argument sucht. Das Spiel geht so lange, bis einem der beiden auf die Schnelle nichts mehr einfällt. Dann bekommt der andere einen Punkt und es wird das nächste Thema gezogen.

Dieses Spiel ist eine Übungssache und kann beim ersten Mal etwas frustrierend sein, wenn einem Teilnehmer keine Argumente einfallen. Am besten immer mal wieder kurz spielen, dann übt sich das Argumentieren von ganz alleine.

  • Der kontrollierte Dialog

Die Teilnehmer gehen zu dritt zusammen und einigen sich, wer A, B und C ist. In der ersten Runde unterhalten sich A und B. C ist Schiedsrichter und Beobachter.

A stellt nun in einem Satz eine (möglichst provokante) These auf. B versucht diese (ebenfalls in einem Satz) mit eigenen Worten wiederzugeben. Ist A mit der Wiedergabe von B zufrieden, sagt er 'richtig' und B darf eine Gegenthese stellen. Ist A nicht zufrieden, sagt er 'falsch' und B muss noch einmal versuchen die These von A wiederzugeben. Die beiden arbeiten solange an dem einen Satz, bis A sich verstanden fühlt.

Nach 5-10 Minuten werden die Rollen getauscht, sodass nun A zum Beobachter wird und B und C miteinander diskutieren.

Die Gruppendynamik

Funktionen und Phasen in der Gruppendynamik

Jede Gruppe, egal ob es sich dabei um Kindergartenkinder, Schüler, Erwachsene, Senioren oder eine bunte Mischung aus allen handelt, durchläuft die selben gruppen-dynamischen Prozesse und ordnet den einzelnen Teilnehmern unterschiedliche Funktionen zu:

  • Alpha – Der Chef
  • Beta – Der Berater
  • Gamma – Der Arbeiter
  • Omega – Der Widersacher / Außenseiter

Diese Funktionen sind wertfrei und können sich im Prozess auch immer wieder verändern. Je intensiver die Gruppe an einem gemeinsamen Ziel arbeitet (z.B. einer Theateraufführung) und je mehr der Erfolg des Einzelnen von der Leistung der anderen Gruppenteilnehmer abhängt, umso deutlicher werden die Prozesse sichtbar.

Da das Ju-Jutsu keine Mannschaftssportart ist und somit der Erfolg bei Prüfungen und Wettkämpfen meistens nur vom eigenen Können abhängt (Ausnahmen sind zum Beispiel der Duo-Wettkampf oder die Kata zum 4. und 5. Dan) sind die gruppendynamischen Prozesse im Training oft nur sehr schwer erkennbar.

Deutlicher werden die Prozesse dann in Sondersituationen wie Trainingslager oder längeren Aus- und Fortbildungen, in denen die Ju-Jutsu-Ka über einen längeren Zeitraum an einem Ziel arbeiten und nicht nach dem Training wieder nach Hause fahren.

Die Phasen, die eine Gruppe durchläuft hat der Wirtschaftswissenschaftler Warren Bennis wie folgt beschrieben:

1. Dependenz Die Teilnehmer sind hilflos und ordnen sich bereitwillig der Autorität des Trainers unter. Sie versuchen dessen Erwartungen zu erfüllen und zu gefallen. Versuche einzelner Teilnehmer, Führungsaufgaben zu übernehmen, werden von der Gruppe abgeblockt.

2. Konterdependenz In der zweiten Phase bricht ein Machtkampf aus unter den Teilnehmern und auch zwischen der Gruppe und dem Trainer. Die Autorität, der sich die Teilnehmer in Phase eins noch untergeordnet haben, wird in Frage gestellt und die Gruppe versucht sich zu strukturieren. Die Teilnehmer werden den unterschiedlichen Funktionen zugeordnet und häufig kommt es zu einer Spaltung, wenn zum Beispiel mehrere Personen die Funktion des Alpha für sich beanspruchen.

3. Lösung Die Gruppe konzentriert sich wieder vermehrt auf das eigentliche Gruppenziel (bzw. legt dies fest, sollte es bisher noch kein Ziel gegeben haben) und zieht an einem Strang. Streitigkeiten werden beigelegt und in gespaltenen Gruppen versuchen die Teilnehmer Brücken zu schlagen.

4. Harmonie Die Gruppe hält fest zusammen und die Teilnehmer verspüren untereinander eine große Solidarität. Gemeinsam arbeitet die Gruppe intensiv auf das erklärte Ziel hin. Die Funktionen sind zugeordnet und zumindest für den Moment von allen akzeptiert. Die Gruppe versteht sich als Team und grenzt sich nach außen hin ab.

5. Entzauberung In dieser Phase wird vieles von dem, was sich die Gruppe mühsam erarbeitet hat, wieder in Frage gestellt, was hohes Konfliktpotential birgt. Die persönlichen Wünsche und die Erwartungen der Gruppe sind oft nicht mehr konform und so entbricht erneut ein Machtkampf und die Gruppe zerfällt wieder in zwei oder mehr Subgruppen.

6. Konsensbildung Erneut findet sich die Gruppe zusammen und orientiert sich wieder am gemeinsamen Ziel.Die Funktionen sind wieder geklärt und nun oftmals stabiler als in Phase 3. Die Gruppe ist nun nach außen offener und flexibler in ihrer Struktur und ihrem Regelwerk.

Will man mit einer Gruppe über einen längeren Zeitraum hinweg an einem konkreten Projekt arbeiten, wie das in der Theaterpädagogik immer der Fall ist, was aber auch im Ju-Jutsu vorkommt, wenn man zum Beispiel eine ganze Gruppe auf eine hohe Gürtelprüfung vorbereitet, ist es von hohem Wert, sich die einzelnen Phasen des gruppendynamischen Prozesses bewusst zu machen und zu beobachten, welcher Teilnehmer von der Gruppe welche Funktion zugeteilt bekommt (die Funktionen kann man sich nämlich nicht aussuchen!).

Spiele und Übungen zur Gruppendynamik

Im folgenden möchte ich einige Spiele und Übungen beschreiben, die geeignet sind, um entweder die momentanen Strukturen sichtbar zu machen, oder um Prozesse aktiv in Gang zu setzen, um destruktive Phasen überwinden zu können.

  • Die Zeltstange

Alle Teilnehmer bilden zusammen eine enge Gasse und strecken ihre Zeigefinger so nach vorn aus, dass der Übungsleiter eine leichte Zeltstange auf die Finger legen kann. Wichtig ist, dass jeder Zeigefinger die Stange während der gesamten Übung berührt.

Die Aufgabe ist nun, die Zeltstange gemeinsam abzulegen. Im ersten Durchlauf dürfen die Teilnehmer nicht miteinander reden und werden wahrscheinlich an der Übung scheitern (die Stange wandert nämlich immer höher statt tiefer, da jeder immer seinen Finger an der Stange haben muss).

Im zweiten Durchlauf dürfen und sollen die Teilnehmer miteinander reden. Die Aufgabe ist nämlich nur dann zu schaffen, wenn einer die Führung übernimmt und die Gruppe leitet.

  • Die Flussüberquerung (I)

Der Trainer definiert zwei (nicht direkt nebeneinander liegende) Mattenreihen als Ufer und den Bereich dazwischen als reißenden Fluss. Die Teilnehmer haben nun die Aufgabe als ganze Gruppe vom einen Ufer zum anderen Ufer zu gelangen. Hierfür haben sie drei bewegliche Plattformen (z.B. Hula-Hoop-Reifen, Seiten einer Zeitung, kleine Holzplatten) zur Verfügung (evtl. liegt eine davon aber irgendwo im Wasser).

Die Teilnehmer müssen sich nun eine Strategie überlegen, wie sie die Aufgabe gemeinsam meistern können. Bleibt eine Person zurück oder fällt jemand ins Wasser, ist die Aufgabe nicht gelöst und die Gruppe muss von vorn beginnen.

  • Die Flussüberquerung (II)

Im Prinzip die selbe Übung, nur dass den Teilnehmern mehr Plattformen zur Verfügung stehen. Allerdings geht hier im Wasser jede Plattform unter, die (auch nur kurzzeitig) von niemandem berührt wird.

  • Das Spinnennetz

Der Trainer spannt (am besten schon vor dem Training) zwischen zwei festen Stangen ein Netz mit größeren und kleineren Löchern. Die Teilnehmer haben nun die Aufgabe, das Netz zu passieren, ohne es zu berühren. Durch jedes der Löcher darf aber immer nur einer der Teilnehmer gehen, danach wird es für die anderen gesperrt. Der Trainer muss natürlich beim Spannen des Netzes darauf achten, dass genügend große Löcher vorhanden sind.

Die Gruppe muss sich nun wieder eine Taktik überlegen und die Aufgabe so lange versuchen, bis sie gelöst ist.



  1. Theater in Selbstverteidigungskursen
  2. Theater im Duo-Wettkampf und an Prüfungen
  3. Theater in der Trainer-Ausbildung / Kursleiter-Ausbildung
  4. Theater als Vereinswerbung / Verbandswerbung
  5. Fazit