Das DJJV-Sportabzeichen - Inhaltliche Konzeption

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In diesem Abschnitt wird das vom Autor konzipierte DJJV-Sportabzeichen genauer erläutert. Sowohl der Inhalt (d.h. die Aufgabenstellungen) als auch die für die sportbetriebsmäßige Abwicklung erforderlichen organisatorischen Regelungen werden erläutert. Wo sinnvoll, werden bereits Rückmeldungen aus dem praktischen Betrieb eingeflochten. Wichtige Entscheidungen während der Konzeption des Sportabzeichens werden erläutert und während der Erprobung und Einführung fallengelassene Ideen angesprochen. Ziel dieses Abschnittes ist es, ein tiefes Verständnis des Umfangs und Inhalts des Sportabzeichens sowie der dazu führenden Entscheidungen zu vermitteln.

Um ein einheitliches Rahmenwerk zu erhalten, wurde für das DJJV-Sportabzeichen ein Konzept mit Regeln für die Durchführung, Abwicklung des Materialwesens und der Beschreibung der eigentlichen Leistungstests entwickelt.

Die Durchführung soll so einfach wie möglich gestaltet werden. Trotzdem müssen ein paar Informationen gesammelt und zwischen den Teilnehmern, dem Verein und den Verbänden anhand dafür entworfener Formulare transportiert werden. Der Landesverband soll die Materialien bereithalten; auch die Materialbeschaffung war Gegenstand der Vorarbeiten.

Der Leistungstest selber besteht aus sechs Aufgaben, die jede für sich erfolgreich absolviert werden muss. Die Abnahme kann im Rahmen normaler Trainingseinheiten stattfinden oder im Rahmen einer gesonderten Veranstaltung.

Inhaltliche Konzeption

Noch vor der Festlegung eines Rahmenwerkes und einiger Formalismen galt es zunächst, passende Aufgaben, die beim Ablegen des JJ-Sportabzeichens zu bewältigen sind, zu definieren. Hierzu wurden im Jahre 2005 einige Ideen in einem Brainstorming gesammelt, in einem ersten Schritt nach Eignung bewertet und schließlich in der ständig dafür zur Verfügung stehenden Trainingsgruppe des Autoren getestet. Hieraus entstanden Änderungswünsche, die in der Folge eingearbeitet und erneut getestet wurden. In der nächsten Stufe beteiligten sich landesweit mehrere Vereine an den Tests, aber hieraus resultierten an den Aufgabenstellungen nur noch wenige Änderungswünsche.

Erprobung

Eine wesentliche Bedeutung neben der Ideenfindung kam der Erprobung der Aufgaben zu. Hieraus konnten wesentliche Erkenntnisse für die Aufgabenstellungen erlangt werden. In der ersten Phase standen zur Erprobung als Probanden vornehmlich die Teilnehmer der vom Autoren trainierten Ju-Jutsu-Gruppe zur Verfügung. Es handelte sich um Sportler im Alter von ca. 20 bis ca. 50 Jahren. Die Erfahrung im Ju-Jutsu lag zwischen wenigen Wochen (6. Kyu) und ca. 30 Jahren (4. Dan). Es standen in etwa gleich viele Probanden beider Geschlechter zur Verfügung. Insgesamt waren ca. 20 Sportler beteiligt, von denen jedoch nicht jeder an jedem Training teilnahm, so dass einzelne Erprobungen jeweils von nur einem Teil der Probanden ausgeführt wurden.

Über die Auswertung der Pulswerte der Probanden hinaus hat keine tiefere sportwissenschaftliche Untersuchung stattgefunden. Die Übungen wurden im Wesentlichen aus dem einem erfahrenen Übungsleiter üblicherweise bekannten Material abgeleitet und bringen von sofern keine völlig neuen Grundlagen mit sich. Die aktuellen sportmedizinischen Erkenntnisse bezüglich medizinisch sinnvoller im Gegensatz zu physiologisch ungünstigen Übungen wurden berücksichtigt. Wichtigstes Kriterium jedoch war insbesondere auch von der Intention des Sportabzeichens her die subjektive Aussage der Probanden: Die Aufgaben sollten sie herausfordern, sich anzustrengen, aber auch für nicht ganz so leistungsstarke Teilnehmer noch zu bewältigen sein, und wenn möglich auch noch Spaß machen.

Durch die Streuung des Leistungsspektrums in der Probandengruppe konnte hierzu eine relativ gute Aussage erworben werden; eine nicht ganz so gute Aussage jedoch ließ sich bezüglich der Altersstufen ableiten, weil hierzu Teilnehmer in den obersten Altersklassen fehlten.

Für einige der Aufgaben waren Richtwerte zu ermitteln, die von den Teilnehmern des Sportabzeichens zu bewältigen sein sollten. Die Ermittlung dieser Richtwerte erfolgte zunächst in der Probandengruppe, die die Aufgabe unter den gleichen Bedingungen lösen sollten wie später während einer Sportabzeichenabnahme. In einem zweiten Schritt wurden die fehlenden Alters- und Leistungsstufen mehr oder weniger intuitiv aus den vorhandenen Werten abgeleitet, wobei meistens lineare oder leicht logarithmisch fallende Verläufe mit steigendem Alter extrapoliert wurden. Spätere Erprobungsphasen mit landes- oder bundesweiten Teilnehmerkreisen haben gezeigt, dass diese Richtwerte dabei relativ gut getroffen wurden. Sie sind für fast alle Teilnehmer jeder Altersstufe zu schaffen, veranlassen die Sportler jedoch, sich dafür anzustrengen. Genau dies sollte bezweckt werden. Selbst Sportler, die aufgrund ihres Trainingsstandes die Bedingungen leicht übererfüllen können, fühlen sich durch die Möglichkeit, über das Soll hinaus eine hohe Leistung zu bringen, motiviert.

In keiner der Erprobungsphasen zeigten sich signifikante Unterschiede in den Leistungen zwischen den Geschlechtern. Eine anfangs vorgenommene Trennung nach den Geschlechtern bei den Richtwerten mit leichten Vereinfachungen für das weibliche Geschlecht wurde deshalb später wieder verworfen. Dies vereinfacht nicht nur die Handhabung der Richtwertetabellen, sondern entspricht insbesondere auch dem Wunsch der meisten dazu befragten Probandinnen.

Pratzenarbeit

Von Anfang an stand die Idee im Raum, eine Aufgabe mit Pratzen oder Schlagpolstern (der Einfachheit halber wird im Folgenden lediglich der Begriff "Pratzen" verwendet. Schlagpolster oder die verschiedenen anderen, ähnlich einsetzbaren Hilfsmittel sind jedoch immer gleichermaßen gemeint) einzubauen. Die Arbeit an Pratzen ist für viele Belange des Ju-Jutsu förderlich (siehe u.a. auch [Heckele 06]) und sollte deshalb durch die Aufnahme in das Sportabzeichen gestärkt werden, zumal gleichzeitig mit den Änderungen am Prüfungsprogramm zum 1.1.2007 das Herausfallen des Prüfungsfaches Pratzen/Schlagpolster bevorstand.

Ein erster Ansatz bestand darin, innerhalb einer vorgegebenen Zeit eine möglichst hohe Anzahl an Atemi auf die Pratzen zu schlagen. Dies wäre eine Übung mit hohem Schnellkraftausdauer-Aspekt gewesen. In ersten Praxistests zeigte sich jedoch, dass die Teilnehmer dann dazu neigten, lediglich noch Kettenfauststöße auszuführen und sich dabei extrem zu verausgaben. Dies passte nicht so gut in das Bild eines Breitensportabzeichens. Nach Erprobung einiger anderer Varianten wurde schließlich die Aufgabe wie unter DJJV-Sportabzeichen - Pratzenarbeit beschrieben festgelegt.

Die Richtwerte sind zunächst intuitiv vorgegeben und dann in der Praxis erprobt worden. Die Pulswerte der Probanden lagen nach einer Minute Belastung meistens im oberen aeroben Bereich.

Wurfausdauer

Eine bekannte ausdauerorientierte Aufgabe aus dem Ju-Jutsu ebenso wie aus dem Judo besteht darin, eine Serie von Wurftechniken zu absolvieren. Diese Aufgabe konnte von dem ersten Entwurf an im Wesentlichen unverändert übernommen werden. Hinzugekommen ist lediglich auf Anregung des Seniorenreferenten eine Regelung für ältere Teilnehmer, um wiederholtes Fallen vermeiden zu können. Bisher ist jedoch kein Fall bekannt, in dem davon Gebrauch gemacht worden ist. Allerdings ist die Zahl der Rückmeldungen im Seniorenbereich auch noch sehr gering, so dass hieraus noch keine verlässlichen Schlüsse gezogen werden können. Die aktuelle Fassung dieser Aufgabe lautet somit wie unter DJJV-Sportabzeichen - Wurfausdauer beschrieben.

Beginnend mit der Auswertung der Leistungen der ersten Probanden wurde diese Tabelle für die Alters- und Leistungsgruppen, für die es keine Teilnehmer in den Testgruppen gab, intuitiv hochgerechnet. Später eintreffende Werte einzelner Testteilnehmer lassen den Schluss zu, dass die beschlossenen Werte für Breitensportler bei entsprechender Anstrengung zu erreichen sind, tendenziell eher etwas zu leicht. Dennoch ist gerade dies eine Aufgabe, in welcher die Teilnehmer herausragendes Engagement zeigten und versuchten, ihre bestmögliche Leistung zu bringen. Dementsprechend liegen die typischen Pulswerte auch meistens im mittleren anaeroben Bereich. Für einen trainierten Sportler sollte es dennoch möglich sein, die Richtwerte an der Grenze zwischen aerober und anaerober Belastung zu erreichen.

Verkettungen / Flows

Verkettungen oder Flows sind Übungsformen, in welchen sich einige wenige zu übende Elemente zyklisch wiederholen. So ist mit verhältnismäßig geringem Zeitaufwand eine hohe Wiederholungszahl der Übung zu erreichen. Dies dient der besseren Verinnerlichung von Bewegungsabläufen und fördert die Rhythmisierungsfähigkeit. Eingesetzt werden solche Übungsformen im Ju-Jutsu an vielen Stellen, es seien hier nur Stockdrills, Dreierkontakt oder Weiterführungs- und Gegentechniken genannt.

Die ursprüngliche Idee war, die Aufgabe Konter gegen Konter, wie sie bis Ende 2006 zum 4. oder 5. Dan verlangt wurde, mit in das Sportabzeichen aufzunehmen. Bei dieser Übungsform werden typischerweise nicht immer die selben Bewegungen zyklisch wiederholt, sondern der Zyklus ergibt sich aus dem wechselweisen Abruf der in der freien Verfügbarkeit befindlichen Gegen- und Weiterführungstechniken der Sportler. Diese Übungsform schult das Bewegungs- und Körpergefühl, Konzentration und dient der Verinnerlichung der typischen Übergänge zwischen zwei Techniken. Im Fortgeschrittenenbereich machte den Probanden diese Übung viel Spaß, deshalb erschien sie für diese Zielgruppe geeignet. Für den Anfängerbereich jedoch schien sie zu kompliziert (es wird ja eine weitgehende freie Verfügbarkeit von Gegen- und Weiterführungstechniken verlangt), deshalb sollte es auch alternative Aufgabenstellungen geben. Dennoch ist es bei Beschränkung auf z.B. den Wechsel von Armstreck- zu Armbeugehebel (siehe auch Prüfungsprogramm zum 4. Kyu) oder einfachen abgesprochenen Gegentechnikfolgen (z.B. Kipphandhebel gegen Kipphandhebel) bereits bei relativ beschränktem Technikrepertoire möglich, diese Aufgabe angemessen zu meistern.

Dennoch erschien es wünschenswert, auch andere Formen von Verkettungen zuzulassen. Deshalb besteht bei dieser Aufgabe die Wahlfreiheit zwischen fünf möglichen Ausprägungen. Die Variante Konter gegen Konter wurde eben schon beschrieben, als weitere Möglichkeiten wurden die Abwehrfolge im Dreierkontakt, die Abwehr von Atemiangriffen, die Abwehr von Messerangriffen sowie Stockdrills festgelegt.

Eine bekannte Übungsform im Ju-Jutsu ist die zyklische Ausführung der Abwehrtechnik im Dreierkontakt, wobei die Teilnehmer immer wechselweise schlagen und mit einem Dreierkontakt den Schlag ihres Partners abwehren. Dies wird als Prüfungsaufgabe zum 2. Kyu im Prüfungsprogramm verlangt, kann jedoch auch mit Anfängern schon gut geübt werden. Da der Dreierkontakt und seine artverwandten Abwehrformen im Vergleich z.B. zum Passivblock relativ komplexe und schnell ablaufende Bewegungen enthalten, ist für ein sicheres Beherrschen eine relativ hohe Wiederholungszahl erforderlich. Dies sollte nicht erst mit der Vorbereitung zum 2. Kyu beginnen, deshalb erscheint die Aufnahme in das Sportabzeichenangebot gerade für die unteren Kyugrade sinnvoll. Wie sich in der Testphase herausstellte, kamen nach ein wenig Übung selbst Anfänger mit dieser Aufgabe gut zurecht und erreichten häufig höhere Wiederholungszahlen als Fortgeschrittene, da sie auf das Einbauen zusätzlicher Schwierigkeiten wie Gegenreaktionen, Angriffs- oder Seitenwechsel verzichteten.

Während es bei der beschriebenen Übungsform des Dreierkontaktes freigestellt bleibt, immer den gleichen Angriff (z.B. wie im 2. Kyu immer mit Schlag von außen) anzugreifen und der Schwerpunkt auf der korrekten Ausführung des Dreierkontaktes liegt, konzentriert sich die nächste Wahlaufgabe auf die richtige Reaktion auf einen Atemiangriff: Wechselseitig greifen die Partner mit Atemitechniken an und wehren diese mit kurzen Fege-, Ausweich- oder Blocktechniken ab. Hier werden die Abwehrtechniken in variabler Verfügbarkeit abgefragt und das Reaktions- und Distanzgefühl geschult. Die Erprobung hat gezeigt, dass bei moderatem Tempo diese Aufgabe auch schon von Sportlern der unteren Kyugerade gemeistert werden kann, insbesondere, wenn diese sich dann auf einige wenige einfache, schon halbwegs verinnerlichte Abwehrtechniken gegen eine kleine Auswahl von möglichen Atemitechniken konzentrieren.

Eine Steigerung dieser Aufgabe ist die wechselweise Messerabwehr im Stand. Diese ist zum 1.1.2007 aus dem Prüfungsprogramm zum 3. Dan entfallen, und sollte auch deshalb mit in das Sportabzeichenangebot aufgenommen werden. Geschult werden neben Reaktionsvermögen und Distanzgefühl insbesondere hier auch die Griffsicherheit. Erforderlich für die Bewältigung dieser Aufgabe ist die Beherrschung grundlegender Messerabwehr- und -entwaffnungstechniken. Deshalb dürfte diese Ausprägung der Aufgabe eher für die fortgeschrittenen Teilnehmer in Frage kommen, wie auch die Testergebnisse der Probanden zu schließen zulassen.

Eine bisher nicht im Ju-Jutsu programmatisch verankerte Aufgabenstellung ist die Beschäftigung mit Stockdrills. Obwohl im Training der auf Stockabwehr- und -techniken spezialisierten Trainer häufig eingesetzt, scheint diese Übungsform ansonsten relativ wenig Verbreitung zu finden. Ziel ist es, Schlag- und Abwehrtechniken mit dem Stock in hoher Wiederholungszahl zu trainieren. Gleichzeitig werden hohe Anforderungen an die koordinativen Fähigkeiten gestellt, besonders bei der Arbeit mit zwei Stöcken. Diese Form der Verkettungsaufgabe wurde von relativ wenigen Probanden gewählt. Wenn jedoch, dann meistens von Teilnehmern, die in diesem Bereich Erfahrung hatten und in der Lage waren, auch eine hohe Anzahl an Durchläufen zu bewältigen.

Um eine für die Teilnehmer des Sportabzeichens untereinander vergleichbare Leistung aus der Verkettungsaufgabe zu machen, wurde beschlossen, jeweils die Anzahl der geglückten Durchläufe zu ermitteln. Auf eine Zeitvorgabe wurde verzichtet, weil nicht zur Hektik angetrieben werden soll. Eine runde, kontinuierliche Ausführung der Verkettung steht dabei vor Schnelligkeit. Da davon ausgegangen werden kann, dass selbst bei sehr guter Beherrschung der Aufgabe die Kette irgendwann ohnehin abreißen wird, ist eine zeitliche Obergrenze auch nicht erforderlich.

Die Ermittlung von Richtzahlen für alle dieser fünf Alternativaufgaben gestaltete sich allerdings schwierig, weil es kaum Erfahrungswerte gab. Zwar waren die Übungen alle bekannt und wurden auch regelmäßig ausgeführt, jedoch ohne mitzuzählen. Dementsprechend wurden zunächst Werte für alle Alternativaufgaben von den Testteilnehmern ermittelt und die danach noch fehlenden Werte für in den Testgruppen nicht vertretene Alters- oder Leistungsstufen intuitiv hochgerechnet. Die genaue Formulierung der Anforderungen lautet wie unter DJJV-Sportabzeichen: Verkettungen beschrieben.

Die bisherigen Rückmeldungen lassen vermuten, dass die definierten Richtwerte eher im unteren Bereich des Möglichen liegen, zumal die Teilnehmer beliebig viele Versuche machen dürfen, die Aufgabe zu erfüllen. Dies macht zwar den Erwerb des Sportabzeichens an dieser Stelle leichter, aber aufgrund der Komplexität der Aufgabe erscheint es alleine schon wünschenswert, wenn die Teilnehmer sich intensiv mit den Übungen auseinandersetzen. Gelingt es, einen gewissen Fluss in die Darbietung zu bekommen, haben die Sportler in der Regel auch viel Spaß dabei, womit der Zweck des Sportabzeichens erfüllt wäre.