Kategorie:Würgetechniken

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Begriff

Würgetechniken sind traditionell unter dem Begriff Shime-waza bekannt. Würgetechniken können mit einer Hand, beiden Händen, Armen, Ellenbeugen, den Beinen sowie unter Einsatz von Kleidung oder anderen Hilfsmitteln durchgeführt werden.


Zweck

Den Angreifer zur Aufgabe zwingen oder kurzzeitig bewusstlos oder kampfunfähig zu machen.


Prinzip

  • Blutwürgen: Durch Druck am Hals auf Venen und/oder Arterien wird der Blutfluss unterbrochen bzw. reflektorisch der Blutdruck gesenkt
  • Luftwürgen: Durch Druck auf die Luftröhre die Luftzufuhr eingeschränkt und Schmerzen ausgelöst.
  • Die Folge durch die Minderversorgung des Gehirns mit Sauerstoff ist Orientierungslosigkeit bis hin zur Bewusstlosigkeit.


Wirkungsweise

Unter dem Begriff Würgetechniken werden am Hals des Uke angesetzte Techniken zusammengefasst, die auf zwei recht unterschiedlichen Wirkungsprinzipien beruhen.


Blutwürgen

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Die erste Gruppe von Techniken erzielt ihre Wirkung vordergründig dadurch, dass die Blutzirkulation vom bzw. zum Gehirn unterbrochen wird, indem die Jugularvene und/oder die Karotisarterie durch Druck seitlich am Hals verschlossen wird. Die Jugularvene ist besser erreichbar und wird daher zuerst abgedrückt. Die Karotisarterie teilt sich auf Höhe des Karotissinusknotens in einen äußeren und einen inneren Ast; abgedrückt wird hauptsächlich der äußere Ast bzw. unterhalb der Verzweigung. In der Folge wird das Gehirn nicht mehr ausreichend mit sauerstoffreichem arteriellen Blut versorgt. Nach kurzer Zeit schon kommt es zur Bewusstlosigkeit, ein länger fortgesetztes Würgen kann zum Tode führen.

Im Bereich der Halsschlagadern liegen ferner auch Messorgane (Karotissinus), die für die Regelung des Blutdrucks zuständig sind. Messen sie einen zu hohen Blutdruck in der Karotisarterie, veranlassen sie reflektorisch eine Blutdrucksenkung. Beim Würgen wird der direkte externe Druck auf die Sinusknoten sowie der durch Verschluss der Halsvenen auftretende Rückstau wie eine Blutdruckerhöhung interpretiert. Die reflektorisch veranlasste Verlangsamung des Herzschlags und Senkung des Herzschlagvolumens führt zur Verschlechterung der Blutversorgung im gesamten Körper.

Die meisten sport- oder gerichtsmedizinischen Quellen geben um die zehn Sekunden bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit an. Dabei ist ein Druck von nur ca. fünf Kilogramm auf die Karotisarterien erforderlich, um den Durchfluss zu unterbrechen. Personen, die dies erlebt haben, berichten meistens von einem (was die Würgetechnik selber anbelangt) weitestgehend schmerz- und panikfreien Übergleiten in die Bewusstlosigkeit.

Nach etwa drei bis fünf Minuten Unterversorgung beginnt das Gehirn geschädigt zu werden. Wird die Technik nach Eintritt der Bewusstlosigkeit schnell wieder gelöst, so erwacht der Gewürgte in der Regel nach zehn bis zwanzig Sekunden wieder. Dennoch darf keinesfalls leichtfertig mit dieser Art von Würgetechniken umgegangen werden. Bei Eintritt der Bewusstlosigkeit können unter anderem Krämpfe und/oder Komplikationen durch die mechanische Gewalt an den abgedrückten Adern (zum Beispiel könnten sich bei verkalkten Arterien Kalkplaques oder Blutgerinnsel lösen und zu Schlaganfällen führen) auftreten, die vorübergehende oder dauerhafte Schäden verursachen.

Würgetechniken nach diesen Wirkungsprinzipien werden im Englischen auch als "Blood chokes", also "Blutwürgen" bezeichnet. Ein Beispiel wäre das beidseitig mit Hilfe des Kragens angesetzte Knöchelwürgen (Ryote-jime).


Luftwürgen

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Die zweite Art von Würgetechniken beruht darauf, durch Druck auf Luftröhre und/oder Kehlkopf Schmerzen, Hustenreiz, Atemnot und Angst auszulösen. Ein Abdrücken der Luftröhre, so dass der Luftaustausch der Lunge vollständig unterbunden wird, erfordert aufgrund des relativ starren knorpelhaften Aufbaus der Luftröhre eine sehr hohe Krafteinwirkung. Wird diese Kraft aufgebracht, ist damit zu rechnen, dass knorpelige Teile der Luftröhre brechen und/oder sich so verformen, dass sie diese dauerhaft verlegen, so dass es auch nach Lösen der Würgetechnik noch zum Tode kommen kann. Da der Körper auf Schmerzen, Hustenreiz und Angst mit Adrenalinausschüttung und damit einhergehend erhöhtem Bedarf nach Sauerstoff und somit Atmung reagiert, reicht auch ein unvollständiger Verschluss der Luftröhre aus, um zumindest subjektiv das Gefühl des Erwürgtwerdens zu erzeugen.

Zur Unterscheidung wird im Englischen auch der Begriff "Air chokes" ("Luftwürgen") verwendet. Im deutschen Sprachgebrauch wäre streng genommen der Ausdruck "Ersticken" passender. Dies hat sich im Kampfsportvokabular jedoch nicht durchgesetzt, möglicherweise, weil auch der japanische Begriff Shime-waza für beide Wirkungsprinzipien verwendet wird. Ein Beispiel für ein reines Luftwürgen ist die von vorne angesetzte Knöchelwürge.

In vielen Kampfsportarten, die Würgetechniken im Wettkampf zulassen, ist diese Form des Würgens nicht erlaubt. Im Gegensatz zu reinen Blutwürgen, die den Gewürgten "sanft einschlafen" lassen, sind Air chokes für Uke von Anfang an durch den Hustenreiz und das Gefühl erschwerter Atmung sehr unangenehm. In der Selbstverteidigung lassen sie sich dadurch zur Durchsetzung von Anweisungen einsetzen, dürften aber unter Umständen auch mehr Widerstand in Form von Panikreaktionen provozieren als die relativ schmerzfreien Blutwürgen.


Anwendung

In der Praxis können in einer Würgetechnik beide Wirkungen zu unterschiedlichen Teilen auftreten. So wirkt ein Freies Würgen vor der Schulter (Ushiro-jime) je nach Position der eigenen Arme mehr auf die Blutzufuhr (Ellenbeuge vor Luftröhre) oder auf die Luftröhre (Unterarm vor Luftröhre). Ferner kann, wenn bei der Würgetechnik gleichzeitig Ukes Kopf gedreht oder gekippt wird, zusätzlich ein Hebel an der Halswirbelsäule (zum Beispiel Genickhebel) zur Wirkung kommen. Als Beispiel sei das auch als Guillotine bekannte Hebewürgen genannt.


Durchführung

Um Würgetechniken durchführen zu können, muss mindestens auf eine Stelle des Halses Druck ausgeübt werden. Damit Uke dem nicht einfach ausweichen kann, ist zusätzlich ein Widerlager erforderlich. Bei Formen des Würgens, bei denen beide Halsseiten gleichzeitig angegriffen werden (etwa Knöchelwürgen auf beiden Seiten, vergleiche Bild 2), kann das zugleich der Druck auf die gegenüberliegende Halsseite sein. Bei Techniken, die nur eine Halsseite oder die Luftröhre angreifen, ist eine zusätzliche Fixierung zum Beispiel hinten am Hals nötig (etwa eine Hand im Nacken bei einhändiger Knöchelwürge).

Um den Druck möglichst einfach aufzubauen, kann man sich der Hebelgesetze bedienen. Hierbei können sowohl die eigenen Arme oder Beine als auch Hilfsmittel wie Kleidung (von Uke oder von Tori) und starre (zum Beispiel Stöcke) oder flexible (zum Beispiel Riemen von Handtaschen) Gegenstände benutzt werden. Die häufig bei den im Gi kämpfenden Stilen anzutreffende Nutzung von Ukes Kragen dürfte davon die am meisten verbreitete Möglichkeit sein. Als eines von sehr vielen möglichen Beispielen sei hier das Ärmelradwürgen (Sode-guruma) genannt.

Insbesondere starre Hilfsmittel können sowohl in der Funktion des Widerlagers (zum Beispiel Kreuzwürgen mit dem Stock, Bo-juji-jime) als auch zum Aufbau des Druckes (zum Beispiel Schränkwürgen mit dem Stock, Bo-hadaka-jime) verwendet werden. Beim Einsatz von Hilfsmitteln ist zu beachten, dass der im Vergleich zu Armen oder Kleidung härtere oder mit einer kleineren Fläche Druck ausübende Gegenstand die Kraftübertragung erheblich verstärken kann, so dass die Würgetechnik intensiver zur Wirkung kommt. Von sofern ist besonders bei Wirkung auf Luftröhre/Kehlkopf und Genick außerordentliche Vorsicht geboten.

Quellen

Wissenschaftliche Quellen zur Wirkungsweise von Würgetechniken findet man vereinzelt im Internet (zum Beispiel "Echokardiographische Untersuchungen zur Auswirkung des Kreuzwürgens (Shime-Waza) im Judo auf die Herzaktion" von C. Raschka, A. Hölscher und K. Brunner vom Institut für Sportwissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt/Main). Aus einigen Quellen wird auf Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften verwiesen, die aber im Allgemeinen schwer zugänglich sind (zum Beispiel "Physiologic studies on "choking" in judo - studies on "choking" with reference to the hypophysioadrenocortical system" von S. Ogawa et. al. aus dem Bulletin of the Association for the Scientific Studies on Judo. Tokyo: Kodokan Report II 1963). Während diese sportmedizinisch motivierten Quellen, in denen medizinisch beaufsichtigte Versuche an Menschen beschrieben werden, sich auf Blutwürgen beschränken, findet man in Literatur aus dem Bereich der Gerichtsmedizin auch Fallbeschreibungen zur Wirkung von Luftwürgen.


Beachte

  • Die Technik ist so anzusetzen, dass der Verteidiger selber weitgehend geschützt ist.
  • Um Gefahr für die Gesundheit des Prüfungspartners zu vermeiden, ist ein ruckartiges Zuziehen zu vermeiden, der Partner stets zu beobachten und nach dem Abklopfen die Würgetechnik sofort zu lösen.
  • Würgetechniken mit Angriff auf die Luftröhre sind mit der gebotenen Vorsicht anzusetzen, so dass Verletzungen der Luftröhre oder des Kehlkopfes ausgeschlossen sind.


Klassifizierung

Würgetechniken können nach ihrer Wirkungsweise (auf Halsschlagader oder auf Luftröhre) oder nach den zur Durchführung der Würgetechnik angewandten Mittel klassifiziert werden. Im Folgenden wird die zweite Methode verwendet: