Gesetzliche Bestimmungen

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Allgemeines

Im Kampfsport, Kampfkunst und Selbstverteidigung sind insbesondere in folgenden Situationen gesetzliche Bestimmungen zu bedenken:

  • Selbstvereidigung (Notwehr/Nothilfe)
  • Training/Wettkampf (Einwilligung in Körperverletzung)
  • Verwendung von Waffen (Waffengesetz)

Das DJJV Technikum kann keine verbindlichen Rechtsauskünfte geben. Die hier angestellen Überlegungen können von sofern nur grobe Anhaltspunkte geben.


Strafbarkeit

Im Prinzip ist nach dem Gesetz zunächst mal jede Anwendung von Kampfsport/-kunsttechniken gegen einen Menschen oder eine Sache eine strafbare Handlung. Das gilt auch für die Handlungen, die man im Rahmen des Trainings oder Wettkampfs an seinem Partner bzw. Gegner ausführt.

Die wichtigsten Straftaten in diesem Zusammenhang sind:

  • Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§113 StGB, bis 5 Jahre oder Geldstrafe): z.B. Grifflösen zur Befreiung, wenn man von einer Zivilstreife festgehalten wird.
  • Mord (§211 StGB, lebenslang): Totschlag u.a. aus Habgier, Heimtücke, mit besonderer Grausamkeit oder um eine andere Straftat zu verdecken.
  • Totschlag (§212 StGB, 5 Jahre bis lebenslang): Vorsätzliche Tötung eines Menschen, z.B. durch einen absichtlichen Messerstich in den Hals
  • Körperverletzung (§223 StGB, bis 5 Jahre oder Geldstrafe): Körperliche Mißhandlung oder Beschädigung der Gesundheit, z.B. Grifflösen durch Daumenpresse.
  • Gefährliche Körperverletzung (§224 StGB, 6 Monate bis 10 Jahre): Körperverletzung durch mehrere Angreifer oder aus dem Hinterhalt, mit einem gefährlichen Werkzeug/Waffe/Gift/Tier oder das Leben gefährdend z.B. zwei Kampfsportler überwältigen gemeinsam einen Unruhestifter und halten ihn mit beidseitigem Armbeugehebel fest; Einsatz eines Stockes zur Durchführung eines Hebels; Freies Würgen
  • Schwere Körperverletzung (§226 StGB, 1 bis 10 Jahre): Körperverletzung mit schweren Folgen, z.B. Entstellungen, Verlust eines wichtigen Gliedes, des Sehvermögens, der Fortpflanzungsfähigkeit usw., z.B. durch einen mehrfachen Fingerstich in die Augen erblindet das Opfer; durch einen Fußtritt in die Genitalien wird ein Mann zeugungsunfähig.
  • Körperverletzung mit Todesfolge (§227 StGB, über 3 Jahre): Das Opfer stirbt an den Folgen einer einfachen, gefährlichen oder schweren Körperverletzung, ohne dass jedoch die Tötungsabsicht von vornherein im Zentrum der Tat stand, z.B. durch einen Stockschlag zum Kopf kommt es zu einer Gehirnblutung, die zum Tode führt.
  • Nötigung (§240 StGB, bis 5 Jahre oder Geldstrafe): Erzwingen von Handlungen oder Unterlassungen u.A. durch Gewaltandrohung oder Gewalt, z.B. Erzwingen der Herausgabe des Personalausweises durch eine Hebeltechnik.
  • Sachbeschädigung (§303 StGB, bis 2 Jahre oder Geldstrafe): Beschädigung oder Zerstörung einer fremden Sache, z.B. Zerreißen eines Kleidungsstücks bei der Durchführung eines Wurfes.
  • Unterlassene Hilfeleistung (§323c StGB, bis 1 Jahr oder Geldstrafe): Verweigerung der Hilfe bei Unglücksfällen, allgemeiner Gefahr oder Not, obwohl die Hilfe erforderlich und zumutbar gewesen wäre.


Nicht strafrechtlich relevant sind jedoch

  • bloße Gesinnungen oder Absichten
  • nicht beherrschbare Verhaltensweisen wie z.B. Reflexbewegungen, Verhalten im Tiefschlaf, Narkose, bei Bewußtlosigkeit, im Vollrausch oder durch unwiderstehliche äußere Gewalt erzwungene Handlungen (z.B. jemand wird unvorhergesehen gegen einen Dritten gestoßen, so dass dieser zu Schaden kommt).

Automatisierte Verhaltensweisen wie z.B. eingeschliffene Kampfsport-/-kunst-Kombinationen gelten jedoch nicht als Reflexhandlungen und sind somit strafrechtlich relevant.

Bei Vollrausch kann statt des eigentlichen Straftatbestandes der Vollrauschparagraph §323a StGB angewandt werden, d.h. der Täter wird nicht wegen der eigentlichen Tat, sondern auf Basis von §323a verurteilt.


Rechtfertigungsgründe

Obwohl somit im Prinzip die Anwendung fast jeder Kampfsport-/-kunsttechnik strafbar ist, gibt es eine Reihe von sogannten Rechtfertigungs- und/oder Schuldausschließungsgründen. Liegt einer dieser Gründe vor, wird die betreffende Handlung nicht bestraft.


Die wichtigsten Gründe sind im Überblick:

  • Einwilligung des Verletzten (§228 StGB)
  • Notwehr (§32 StGB)
  • Notstand (§34 StGB, §228 BGB, §904 BGB
  • Vorläufige Festnahme (§127 StPO)

Es gibt noch eine Reihe weiterer Rechtfertigungsgründe, die aber eher selten im Zusammenhang mit der Anwendung von Ju-Jutsu-Techniken stehen dürften.


Einwilligung des Verletzten

Der für das tägliche Training wichtigste Rechtfertigungsgrund ist die (freiwillige!) Einwilligung des Verletzten. Dadurch sind die im Rahmen des Kampfsport-/-kunsttrainings oder Wettkampfs bei normalem Ablauf zu erwartenden gegenseitigen Körperverletzungen, Freiheitsberaubungen usw. gedeckt, also z.B. durch einen in verantwortlicher Form angesetzten Hebel oder Wurf verursachter Schmerz, der ja an sich schon eine Körperverletzung darstellt.

Die Einwilligung hierzu kann durch die Teilnahme des Einzelnen am Training oder am Wettkampf als gegeben vorausgesetzt werden. Sie erstreckt sich natürlich nur auf diejenigen Verletzungen, die bei normalem, bekannten Ablauf vom Einwilligenden erwartet werden dürfen. Verletzungen, die über das „normale“ Maß hinausgehen (z.B. durch ungewöhnlich brutales Verhalten im Wettkampf) oder gar absichtliche Verletzungen sind damit keinesfalls gedeckt und können dementsprechend rechtlich verfolgt werden.

Auch die Einwilligung von Minderjährigen ist rechtswirksam, soweit von ihnen bereits vorausgesetzt werden darf, dass sie begreifen, worum es geht. Es ist also in der Regel für das normale Training keine Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten erforderlich, dass ihr Kind z.B. gehebelt werden darf, zumal ja die Eltern normalerweise bereits für den Eintritt des Kindes in den Verein unterschrieben haben und somit eigentlich wissen müßten, was ihr Sprößling so treibt. Teilnahme am Wettkampf könnte hier, je nach Alter der Kinder, einen Grenzfall darstellen. Im Zweifelsfalle kann es nicht schaden, auf einem Formblatt ausdrücklich um Einverständnis der Eltern zu bitten.

Normalerweise muss die Einwilligung zur Verletzung vor der Tat gegeben sein. Das ist es im Falle des Trainings oder Wettkampfs ja in der Regel auch. Es könnte aber auch z.B. im Rahmen einer Nothilfe zu einer Situation kommen, in der dem Opfer nur unter Einschränkung eines seiner Rechte geholfen und seine ausdrückliche Einwilligung nicht vorher eingeholt werden kann. Dann reicht auch die mutmaßlichen Einwilligung des Opfers. Wenn man also nach Anlegen der üblichen Wertemaßstäbe davon ausgehen muss, im Interesse des Opfers zu handeln, dann ist das Vorgehen gerechtfertigt (z.B. um eine Wiederbelebung eines bewußtlosen Unfallopfers oder eine Wundversorgung an ihm durchführen zu können, muss die Kleidung aufgeschnitten werden).

Sittenwidrige Handlungen können auch durch Einwilligung des Verletzten nicht straffrei gestellt werden. Zu den sittenwidrigen Handlungen gehören ausdrücklich auch Doping sowie grobe Regelverstöße im Sport, soweit diese zu Verletzungen führen.